Entziehung der AÜG-Erlaubnis
Entziehung der
AÜG-Erlaubnis
Der Zweck der Vorschrift des § 3 AÜG besteht darin, den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer zu gewährleisten und unzuverlässige Verleiher „aus dem Verkehr“ zu ziehen (vgl. BT-Drs. VI/2303, S. 11; BSG v. 06.02.1992 — 7 RAr 140/90 und LSG Nordrhein-Westfalen v. 19.02.2019 — L 20 AL 188/18 B ER). Das schärfste Schwert der Bundesagentur für Arbeit zum Erreichen dieses Ziels ist dabei die Entziehung oder auch Versagung der AÜG-Erlaubnis.
A) Wann kommt es zum Entzug der Erlaubnis?
Nach § 3 AÜG wird die AÜG-Erlaubnis entzogen oder eine Verlängerung der Erlaubnis versagt, wenn der Antragssteller unzuverlässig ist. Eine solche Annahme muss durch Tatsachen gerechtfertigt sein.
Die Unzuverlässigkeit wird insbesondere angenommen, wenn der Antragssteller gesetzliche Vorgaben nicht einhält, etwa aus dem Sozialversicherungsrecht, bzgl. der Lohnsteuer, der Arbeitsvermittlung, der Ausländerbeschäftigung, der Überlassungshöchstdauer, des Arbeitsschutzrechts oder arbeitsrechtliche Pflichten.
Zu nennen sind hier auch Verstöße gegen den Gleichstellungsgrundsatz (Equal Pay oder Equal Treatment).
Darüber hinaus wird die Erlaubnis versagt, wenn anzunehmen ist, dass der Antragsteller der Gestaltung seiner Betriebsorganisation nach nicht in der Lage ist, die üblichen Arbeitspflichten zu erfüllen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AÜG).
B) Bundesagentur für Arbeit
Den fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum AÜG vom 31.08.2019 zufolge orientiert sie sich bei der Überprüfung der ANÜ-Erlaubnis-Anträge an vorgenannten Kriterien, wobei sie zusätzlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betont.
In 3.1.(3) heißt es etwa, dass eingehend zu prüfen sei, ob etwa bei einer Versagung der Erlaubnis, welche die Existenz des Betroffenen bedroht, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Die Erlaubnis sei regelmäßig nur bei wiederholenden Verstößen zu versagen. Denn hat der Verleiher seine Pflichten mehrfach erheblich verletzt, so ist darauf zu schließen, dass dies künftig so bleiben wird und ihm die erforderliche Zuverlässigkeit abzusprechen ist.
In jedem Fall seien stets die Gesamtumstände zu würdigen. Danach kann es sogar ausreichen, für den Wiederholungsfall die Versagung der Erlaubnis lediglich anzudrohen.
C) Verhalten des Antragsstellers – Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft: Was gibt den Ausschlag?
Da auch Gerichte prüfen, ob es wahrscheinlich ist, dass sich der Betroffene zukünftig an die gesetzlichen Regelungen halten wird, ist das künftige Verhalten des Antragstellers ausschlaggebend, weniger die Vergangenheit (vgl. BSG v. 06.02.1992 — 7 RAr 140/90).
Allerdings wird aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart ein entsprechender Schluss auf ein wahrscheinlich zukünftiges Verhalten des Antragstellers gezogen (BSG a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.06.2018 — L7 AL 22/18 B ER). Beurteilungszeitpunkt für die Prognose ist die letzte mündliche Verhandlung vor Gericht. Führt sie zu keinem eindeutigen Ergebnis, wirkt sich das zugunsten des Antragstellers aus.
D) AÜG-Verstöße – Auf welche Verstöße kommt es konkret an?
Wichtig ist insbesondere die Missachtung der gesetzlichen Vorgaben über die Vergütung, den Urlaub und sonstige geldwerte Leistungen, d.h. der sog. „Kernpflichten“ (vgl. LSG NRW v. 19.02.19 — L 20 AL 188/18 B ER und LSG Sachsen-Anhalt v. 10.11.2017 — L 2 AL 75/17 B ER). Allerdings gilt hier auch, dass ein Verstoß gegen Kernpflichten nicht angenommen werden kann, wenn keine schutzwürdigen Belange der Arbeitnehmer betroffen sind (vgl. Bayerisches Landessozialgericht v. 29.07.1986 — L 08/AL 40/83):
„Unter Berücksichtigung der sozialpolitischen Zielsetzung des Gesetzes ist ein schwerwiegender Verstoß stets dann anzunehmen, wenn durch die Handlungsweise des Verleihers der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer nachhaltig beeinträchtigt wird. Wird der soziale Schutz der Leiharbeitnehmer dagegen in keiner Weise gefährdet, so liegt in der Regel nur eine geringfügige Verletzung vor, die erst bei wiederholtem Auftreten die Behörde zur Versagung berechtigt.“
Daraus folgt, dass auch Umstände eine Versagung rechtfertigen können, die für sich genommen zwar keinen Versagungsgrund darstellen, aber in der Summe zu einem solchen führen (LSG Nds.-Bremen v. 27.06.2018 — L 7 AL 22/18 B ER).
Die Bundesagentur für Arbeit beschäftigt sich i.d.S. regelmäßig nicht nur mit Verstößen gegen das Garantielohnprinzip oder die unzulässige Abwälzung des Beschäftigtenrisikos auf Arbeitnehmer. Nicht selten liegen ihr auch komplexere Fälle vor, die etwa die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Auslandsentsendungen betreffen, oder in denen beurteilt werden muss, ob durch Personalübernahmen Betriebsübergänge vorgelegen haben.
E) Hilfe – Wie kann ich mich gegen die Entscheidung der Bundesagentur wehren?
Da es entscheidend darauf ankommt, ob entsprechende Tatsachen vorliegen, die die Negativprognose der Bundesagentur für Arbeit begründen, ist es essenziell, dass Gründe aufgezählt werden, die eine Wiederholung(-sgefahr) widerlegen.
Vor allem sollten Sie darauf hinweisen, dass eine Besserung eintritt bzw. eingetreten ist. Für Außenstehende erkennbar ist das beispielsweise durch Seminarbuchungen, der Einstellung von Fachkräften, Softwareanschaffung, neue Vertragsmuster oder dem Abschluss von Beraterverträgen.
Grundsätzlich sind Erstverstöße eher als unproblematisch einzustufen, Mehrfachverstöße hingegen als umso heikler.
Wenn Sie sich in der Angelegenheit unsicher sind, sollten Sie Rechtsbeistand suchen. Egal, ob es um die Versagung der ANÜ-Erlaubnis geht, deren Widerruf, ob der Antrag zu spät gestellt wurde oder die Erlaubnis etwa nicht erteilt wurde, weil unberechtigt Auflagen oder Bußgelder erteilt worden sind – unsere Rechtsanwälte vertreten Sie kompetent gegen die Bundesagentur für Arbeit und setzen sich für Ihr Recht ein.